Montag, 23. März 2009

Rock'n'Roll 2.0

Okay, Mando Diao sind endgültig im Mainstream angekommen. Ein poppigeres Set hab ich von ihnen noch nie gesehen, Nummer-1-Hit inklusive. Aber darum gehts nicht. Ich hab heut abend ein oder zwei mir neue Sachen über Rock'n'Roll-Konzerte gelernt!

Mein erstes Achso: Crowdsurfen gibt es nicht mehr. Man kann nicht mehr von der Bühne springen weil man überall jemand sein Digiknipse oder sein Handy aus der Hand hauen würde. In den ersten Reihen wird frenetisch mitgefilmt, das gesamte Konzert über, ohne Pause, von allen unter 21 - und das ist die Mehrheit. Ich hab original zugeschaut, wie Kids im Pit Gedränge wenn die Kamera voll ist hektisch die völlig unkenntlichen Bilder raussuchen und löschen, um weitere unscharfe unterbelichtete Fotos machen zu können. Fürs Konzerterlebnis 2.0 scheint der Fotobeweis mindestens so wichtig zu sein wie das direkte Erleben.

Mein zweites Achwas: Merchandise 2.0. Direkt nach dem Konzert ersteht man statt eines T-Shirts einen USB-Stick, bespielt mit dem Konzert, das grade vorbei ist. Der Stick hat ein gefälliges Alu-Gehäuse auf dem der Bandname eingraviert ist und wird in einem samtigen schwarzen Schächtelchen schmuckstückartig verkauft. Die Sticks sind bereits in ausreichenden Mengen fertig bespielt, wenn das Publikum nach dem Konzert gen Ausgang strebt - sportliche Leistung fand ich. Kurz gequatscht mit den Jungs von concert-online: Das funktioniert, indem über dem Mischer eine T-förmige Stange angeschraubt wird mit zwei Mikros dran. Aus dem Mischpult wird direkt als 320kbit stereo MP3 gespeichert (DRM-frei), mehrere Laptops mit je mehreren USB-Hubs, fertig. Für die Songs der letzten Zugaben ist innen im Schächtelchen ein Code eingestempelt, mit dem man sich die entsprechenden MP3s 30 Minuten nach dem Konzert kostenlos runterladen kann. Nach Angaben von den Jungs kaufen bei kleineren Konzerten wie diesem mehr als 5% der Konzertbesucher beim Rausgehen so einen 'Concert Stick' - und das obwohl die ganze Geschichte satte 20 Euro kostet! Wenn ich dran denke, wie umständlich ich auf dem Camden Market mein erstes Bootleg (Sisters of Mercy, Vinyl, grottige Soundqualität, photokopiertes Cover) gekauft habe, komme ich mir sehr einspunktnullig vor.

Wie auch immer, es scheint immer noch Rock'n'Roll zu sein: Nach der letzten Zugabe umarmte mich überraschenderweise der völlig durchgeschwitzte 18-Jährige vor mir und brüllte mich grinsend an: „Jetzt kann ich auch sterben. Ich hab alles gesehen.“ Da habe ich einfach mal nichts gesagt.


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